Freitag, 12. August 2011

Culture Shock - oder "Do you want whipped cream on your chips that go with your burger, ma´am?"




Nun bin ich also schon ganze zehn Tage im Land der "Burger Freaks" und habe dementsprechend Tag für Tag  neue Eindrücke sammeln können. Nachdem ich in meinem letzten Beitrag ausführlich über meine Ankunft berichtet habe, will ich diesmal speziell auf die Dinge eingehen, die mich besonders beeindruckt, überrascht, manchmal auch verwirrt haben. Dieses Kapitel meines Blogs trägt daher den Namen "Culture Shock".  Dabei will ich zeigen, dass dieser ziemlich negativ geprägte Ausdruck meist überbewertet wird. Das Fremde ist sicherlich anders im Vergleich zu dem Vertrauten, anders bedeutet aber nicht gleich schlecht! Gerade aus diesem Grund ist es wichtig Humor zu beweisen (fällt uns Rheinländern ja nicht schwer), denn wer es glaubt oder nicht, Humor ist etwas, das alle Kulturen gemein haben (ich glaube selbst die Engländer hätten so etwas)! Folgende Zeilen sollen dem zu folge mit eben so viel Humor gelesen werden, mit dem sie verfasst wurden.

Der Culture Shock für eine Tübinger Studentin, die in eine halbwegs große Stadt in den Staaten kommt, ist mehr oder weniger vorprogrammiert. Nicht verwunderlich, schließlich findet man sich plötzlich auf einem Campus wieder, der fast so groß ist wie die Kleinstadt an die man sich gerade erst gewöhnt hat. Anstatt eines historischen Rathauses ist das Zentrum nun eine überdimensionale Bibliothek, deren Zentrum wiederum (vor allem für mich) Starbucks bildet. Und damit nicht genug: keine 50 m weiter entfernt, im Gebäude nebenan, findet man bereits die nächste Filiale dieser Kaffeekette (mein armes Portemonnaie). In der UB Tübingen freut man sich ein Loch sonstwohin, wenn der Kaffeeautomat, der etwas produziert, das wohlkaum die Bezeichung Kaffee verdient hat, einmal NICHT defekt ist!

Aber nicht nur das, allein der Weg zum Campus ist simpel ausgedrückt anders. Anstatt lauter kleine Bäckereien und Fachwerkhäuser zu passieren, sieht man in Tennessee einen Fastfoodtempel neben dem anderen UND nachdem man diese registriert hat, stellt man außerdem fest, dass man die einzige Person ist, die den spärlichen Gehweg zur Uni überhaupt benutzt. Oder aber eine andere Variante: man sitzt morgens mit drei weiteren Personen (in deren Nähe man in Deutschland nicht einmal an der selben Ampel stehen wollen würde) auf engstem Raum in einem Minibus, der es schafft eine Fahrtzeit von 15 Minuten auf eine geschlagene Stunde zu verlängern. In Tübingen dagegen schaffen es mindestens 20 Busse in diesem Zeitraum  von überallher zum Uni-Hauptgebäude. Muss man dann auch noch auf dem Weg zur Bushaltestelle um sein Leben fürchten, weil es a) keine Fußwege und b) keine Ampeln oder Zebrastreifen auf einer mehr als stark befahrenen Kreuzung gibt und auf dem Rückweg den steilen Hügel bei 37 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit bewältigen, dann glaube ich, kann man wirklich zurecht von Culture Shock sprechen!

Ich selbst hielt mich anfangs für mehr als anpassungsfähig, beziehungsweise dachte ich, dass mir so ziemlich alle kulturellen Unterschiede bereits bekannt wären. Pustekuchen! Als ich realisierte, dass ich jeden Abend früher ins Bett ging, als mein 13-jähriger Gastbruder und nach der ersten Woche bereits die Pharmacy plünderte, da ich scheinbar doch keine Aircondition gewohnt war (zumindest keine, die auf eine gefühlte Temperatur von 0 Grad eingestellt ist), sah ich den Tatsachen ins Auge. Mein Akzent ist es vielleicht nicht, aber ich bin DEUTSCH!

Das wurde mir dann nochmals klar, als ich mit Annica einen "Juhu-wir-ziehen-bald-in-unser-mega-cooles-Apartment-mit-Pool-Heimkino-Fitnessstudio-Sonnenbank-und-Clubhaus-ein"-Großeinkauf machte und wir nach einem der simpelsten Dinge suchten (dachten wir zumindest). Objekt unserer Begierde war ein Waschlappen und diesen dachten wir bei den Handtüchern vorzufinden - DENKSTE! Der amerikanische "washcloth" gleicht einem ollen, rauen Putzlappen, wogegen der Putzlappen extra weich und flauschig ist (Such den Fehler!). Mit einer Alternative zufriedengebend, hieften wir unsere Tonnen von sinnvollen Einkäufen (bis auf die vier Shorts, zwei Kleider, unendlich viele Tops sowie Victoria´s Secrets Unterwäsche, aber die mussten wir haben, weil die tax-free waren!) zum Auto von Annicas Gastmutter. Dieses stand unweit auf einem Parkplatz, an dem wir unsere Shoppingtour starteten, aber nunmal nicht auf dem Parkplatz, der dem Geschäft in dem wir nun waren, direkt angeschlossen war. Machte uns ja nix die paar Meter zu laufen, allerdings waren wir damit DIE Attraktion schlechthin. Kaum ein Auto verlangsamte nicht sein Tempo, als es an uns vorbeifuhr und die Insassen wunderten sich über die zwei laufenden Shoppaholics!

Laufen wird halt überbewertet! Mein Gastvater zeigte mir eines Abends die Bushaltestelle. Ich ging davon aus wir würden dahin laufen, aber nein, natürlich nicht, wir fuhren mit dem Auto daran vorbei. Auch meine persönliche bisherige "most shocking" Erfahrung habe ich meiner Gastfamilie zu verdanken (verdanken ist hier keineswegs ironisch gemeint, wie später noch deutlich werden soll). Als mich meine Gastmutter am Samstagabend fragte, ob ich am nächsten morgen mit der Familie in die Kirche möchte, sagte ich sofort ja. Erstens hatte ich meiner Mama versprochen weiterhin brav den Gottesdienst zu besuchen und ich wollte natürlich um eine weitere kulturelle Erfahrung bereichert werden. Somit fuhren wir also am Sonntag gegen 10 Uhr stilvoll im Mustang Cabrio zu einer baptistischen Kirche in Knoxville. Ich wusste, dass die Messe dort "liberaler" als in unseren traditionellen katholischen Kirchen abläuft und mein Gastvater informierte mich auch nochmals, dass die Kirche sehr modern wäre.

Modern - triffts! Mehrere Reihen von Klappstühlen an deren Gangende jeweils eine Tempo-Box stand, führten hin zu einer Bühne mit Scheinwerfern in den buntesten Farben, an deren Seiten zwei fette Plasmascreens prangten. Als wir hereinkamen war die Band schon voll zu Gange und die euphorische Gemeinde sang und fühlte jeden einzelnen Song sichtbar mit! Bitte versteht meinen kritischen Unterton nicht falsch! Ich war und bin stets der Meinung, dass die katholische Kirche VIEL zu konservativ ist und als ich nun diese völlig andere Kirchenwelt betrat, war ich erstaunt, schockiert und begeistert zugleich. Die Musik und die Atmosphäre waren klasse, die Leute so ausgelassen und fröhlich. So soll es sein!

Aber als uns dann Wein und Brot in Form von zwei kleinen Bechern mit einer cracker-ähnlichen Hostie und Traubensaft gereicht wurden, muss ich gestehen, dass ich mich selbst dabei ertappt habe intollerant zu denken. Ich hatte WIRKLICH für eine Sekunde den obskuren Verdacht, ich wäre in einer Sekte und mir würden nun Drogen verabreicht! Absolut diskriminierend und blöd, ich weiß. Aber ich habe daraus gelernt. Ich habe erkannt, dass diese andere Art von Gottestdienst dem gleichen Zweck dient, wie auch die, die ich gewohnt war. Und so habe ich mich auf diese andere Erfahrung eingelassen, brav meine 2 Becherchen entgegengenommen, die Pop-kirchenlieder mitgesungen und ich hatte Spaß.

Und noch viel schöner: meine Gastfamilie hat gesehen, dass ich Spaß daran hatte einen Einblick in ihre übliche Sonntagsgestaltung zu gewinnen und freute sich wiederum darüber! Jetzt mag ich vielleicht wie einer der Prediger in der Kirche klingen, aber darum geht es doch: Anders sein, aber in einer Gemeinschaft und gerade aus dieser Andersartigkeit heraus profitiert die Gemeinschaft und wird interessant! Deshalb und weil ich meine Gastmama, Anna, sehr in mein Herz geschlossen habe, ging ich ein paar Tage später wieder mit ihr in die Kirche, aber nicht zum beten im Gottesdienst, sondern zum tanzen im Zumba-Kurs....








Sonntag, 7. August 2011

Tschüss Deutschland! Hey y´all people in Tennessee!

Wenn eine 23-jährige deutsche Studentin entscheidet für ein Jahr in die USA zu gehen ist das allein noch nicht außergewöhnlich, denn das Land der unbegrenzten Möglichkeiten scheint einen großen Reiz auf die deutsche Bevölkerung auszuüben. Überrascht oder sogar leicht schockiert reagieren die Leute allerdings, wenn man ihnen mitteilt, dass es nach Tennessee geht! So erging es mir zumindest, als ich vor einiger Zeit meiner Familie, Freunden und Bekannten das Ziel meines Auslandsaufenthalts kundgetan habe. Sämtliche Stereotype waren sofort parat: Countrymusik, Cowboystiefel, fettiges Essen, Trailer Parks. Wieso will eine aufgeschlossene Kölnerin denn nun in den konservativen Süden Amerikas? Reicht ihr der zurückhaltende Süden Deutschlands nicht? Bis kurz vor Reiseantritt haben mich diese Meinungen nicht abschrecken können. Es war zwar sehr traurig meine neugewonnenen Freunde in Tübingen und meine alteingesessene rheinländische Spaßgesellschaft zu verlassen, aber mich hat der Ruf in die Ferne gelockt. Als ich dann aber meine zwei vollgepackten Koffer am Check-In des Düsseldorfer (!) Flughafens abgegeben habe und mich von einer der Personen, die immer für mich da waren, meiner Mama, verabschieden musste, realisierte ich plötzlich, dass ich nun über den Teich gehen werde und die Tränen flossen wie von selbst...

Verheult und schniefend ging ich dann zur Sicherheitskontrolle und erweckte das Mitleid des sämtlichen Personals, die meine Entscheidung dennoch sehr bewunderten. Im Flugzeug hatte sich das kölsche Emotionsbündel dann aber wieder beruhigt (das lag vielleicht auch an der Gesellschaft des amerikanischen Pastors neben mir) und es konnte nun endlich losgehen. 9 Stunden, ein gutes Frühstück, ein wenig Schlaf und ein schlechtes Mittag-/Abendessen später landete ich dann an meinem ersten Stop: Atlanta. Insgesamt war der Flug erträglich, nun aber stieg wieder die Nervosität, denn die Passkontrolle - mein schlimmstes Grauen - stand bevor! Ausgerechnet vor mir dran war ein Junge, etwa in meinem Alter, der denn Officer tierisch zu verärgern schien. Als der zurückgeschickt wurde, um sich erneut anzustellen, war ich nun nahe dem Nervenzusammenbruch. Allerdings wurde ich nicht, wie erwartet, übelst angekeift, sondern der Officer war sehr freundlich zu mir und erzählte mir, dass der Kerl sich respektlos ihm gegenüber verhalten hätte, ihm nicht antworten wollte, ich das Ganze aber "excellent" machen würde (und das Ganze in einem super lustigen Südstaatendialekt). Also alle Sorge umsonst und weiter gings!

Nach 4 Stunden Aufenthalt am größten Flughafen der Welt (RIESIG!) und ständigen Gatewechsel ging es dann weiter in einer Mini-mini-Maschine nach Knoxville, Tennessee. Während wir über die Landschaft flogen und ich diese vom Fenster aus betrachten konnte, war ich, um ehrlich zu sein, wenig begeistert. Alles war so weit auseinander, alles sah öde aus und in mir kamen große Zweifel auf. Nachdem ich nun gelandet war und durch den kühlen Flughafen ging, um draussen am Passenger Pick-up auf meine Gastfamilie zu warten, erschlug mich die Hitze förmlich, als ich durch die Flughafentüre ging. Meine Klamotten (die natürlich auf das herbstliche deutsche Wetter angepasst waren) klebten innerhalb von 5 Minuten an meinem Körper und ich erfuhr am eigenen Leib die Bedeutung des Wortes "humid"!

Als meine Gastfamilie dann in einem stereotypen Prius vorfuhr war ich erleichtert (hätte ja auch sein können, dass es sie gar nicht gibt! ;)) Herzlich wurde ich willkommen und ich bemerkte sofort ihr großes Interesse an der deutschen Kultur. Nachdem ich erklärt hatte, dass wir Deutschen nicht nur Sauerkraut essen und bestätigte, dass die Autobahn wirklich ne tolle Sache ist, fragte ich nun meine Gastgeber aus. Es stellte sich heraus, dass sie Tennessee gar nicht mal so sehr mögen und eigentlich aus Kalifornien sind! Irgendwie verfolgen diese Kalifornier mich! Dennoch versicherten sie mir, ich würde ein tolles Jahr in Tennessee haben und ich sollte aber dennoch auch andere Gegenden Amerikas erkunden (was ich definitiv vorhabe!). In dem Moment betraten wir das Haus und 3 Hunde (davon 2 in Windeln) begrüßten mich euphorisch. Puka, Panda und Diva sind inzwischen meine besten Freunde geworden. In dem gemütlichen Haus mit Aircondition (Gott sei Dank!) bewohne und belagere ich mit meinen tausend Sachen ein eigenes Zimmer und fühle mich dort sehr wohl.

An meinem zweiten Tag kam ich gleich in den Genuss eines amerikanischen Pancake-Frühstücks und am Abend gab es "klassisch" Burger, ABER ich bin hier dennoch sehr verwöhnt, denn meine Gast-mom (Anna - wer so heißt, kann nur toll sein) backt ihr eigenes Brot und das ist noch nicht alles sie baut sogar das Weizen selbst (!) im Garten an, macht ihr eigenes Pesto und auch Feta selbst!! Das schätzen wir als Brotessernation natürlich sehr und es nimmt mir zudem die Sorge, dass ich 100 Kilo in dem Jahr zunehmen werde, denn ich sehe, man kann sich auch "vernünftig" ernähren. Das bestätigten mir auch meine Kollegen und Betreuer vom German Department, die alle SEHR hilfsbereit und nett sind und uns (Annica aus Mannheim nimmt ebenfalls an dem GTA-Pragramm teil) vor allem in Sachen Wohnungssuche immens geholfen haben (dazu mehr, sobald ich nächste Woche einziehe, nur eines: LUXUSWOHNHEIM!!!).

Das Campusglände ist RIESIG und sehr schön. lauter rote Backsteingebäude, nur an das Wetter (durchschnittlich 37 Grad und sehr schwül) muss man sich eben gewöhnen, wenn man aus einem semi-optimalen deutschen Sommer hierher kommt. Fotos und weitere Infos werden bald folgen! Soweit solls das erst einmal gewesen sein, bis zum nächsten Mal!

Anna